Un-schulen.
„Es ist nicht so, dass ich glaube, die Schule wäre eine gute Idee, die etwa falsch gelaufen ist, sondern vielmehr ist es eine falsche Idee von Anfang an.
Es ist eine verrückte Vorstellung, dass es einen Ort geben soll, an dem nichts als Lernen passiert, der aber völlig getrennt ist vom restlichen Leben.“
John Holt, The Unschooling Dad.
So, heute wird’s ernst. Schule steht an.
Der Ernst des Lebens beginnt. Schluss mit lustig, tagelang im Schlamm tollen, Schokokekse essen und mit Mama und Papa Stadt und Land erkunden und die Welt entdecken. Jetzt wird gelernt!
Leute, ich hab das ja nie verstanden. Meine Mama hat mir immer von den ganzen anderen Kindern erzählt, die gehen in so abenteuerliche Einrichtungen, die sich dann „Hort“, Kindertagesstätte“ und „Schule“ nennen.
Da sitzen sie dann meist – auweia, ich könnte kaum länger als ne halbe Stunde sitzen (aber ich hab gehört, auch dagegen gibt es dann Medizin, die helfen soll) und hören sich was an, was ein älterer Mensch sagt. Das wird dann wohl richtig sein, denn der Mensch ist ja älter. Und was er nicht sagt, ist nicht wichtig.
Komisch, der einzige ältere Mensch erklärt was, aber alle, die zuhören, sind gleich alt.
Man ist da also den ganzen Tag mit gleichaltrigen Kindern, und hört sich an, was man jetzt so interessant zu finden hat. Und vor allem, was richtig und falsch ist. Das ist wichtig, dass man gleich versteht, was richtig und falsch ist. Dann kommt man nicht auf diese alberne Idee, selbst richtig und falsch zu überlegen.
Mein Papa hat mir mal erzählt, das Schulsystem, so wie es jetzt da ist, dass hängt zusammen mit Kriegszeiten. Die Kids sollten möglichst wenig eigene Meinung haben, weil die nur schadet, wenn einer mit einer Pistole vor einem steht. Da ist man am besten im Roboter-Modus.
Da sind wir wieder, mein Papa und ich, wir beobachten ja immer die Roboter-Kinder, die wie ferngesteuert nachmittags über den Spielplatz laufen. Müde, aggressiv, ohne Gefühl, rennen sie mich dann um. Sie scheinen mich nicht zu sehen, obwohl ich ja schon viel früher da bin auf dem Spielplatz.
Vielleicht, weil sie Zeit brauchen, um nur sich zu sehen?
Nicht böse sein, ich werfe Niemandem etwas vor, aber den Roboter-Vergleich, den bekomme ich nicht weg. Und ich selbst finde ihn am meisten traurig. Es gibt kaum etwas, was mich trauriger macht als Roboter-Kinder.
Ich stelle mir dann immer vor, wie ich mich verhalten würde, wenn ich nicht mit Mama und Papa die Welt erkunden würde, sondern den ganzen Tag eingesperrt wäre mit anderen, von denen ich manche mag und manche überhaupt nicht. Schrecklich!
Na gut, man ist ja nicht den ganzen Tag eingesperrt, man darf ja auch mal raus auf den Spielplatz, bestimmt ne Stunde oder so.
Lesen, habe ich gehört, lernt man in der Schule. Großartig.
Also ich, ich lerne Lesen freiwillig. Warum? Weil mich interessiert, was auf den spannenden Schildern am Park oder Spielplatz steht. Ist doof, ich muss dann immer Papa fragen, und der hat nicht immer Lust, mir das alles vorzulesen. Lesen lernen im Park macht Spaß!
Was ich mich noch frage – wo sind eigentlich die Eltern der kleinen Schul-Soldaten? Wäre es nicht viel besser, wenn die Eltern bei ihren Kleinen wären, um mit ihnen die Welt zu entdecken und „zu lernen“?
Meine Eltern werden oft kritisiert, das Kind würde ja gar nicht sozialisiert werden. Die Kontakte fehlen, die Freunde.
Also ich stelle fest, die meisten kleinen Kinder haben gar nicht die Absicht, Freunde zu finden. Sie wollen erstmal sich selbst finden, denn das ist schwierig genug.
Am schlimmsten finde ich die Ruhe auf den tollen Spielplätzen, immer Montags bis Freitags, am Tag. Da bin ich meist ganz allein und frag mich, wo die anderen alle sind. Es gibt doch soo tolle Spielplätze! Nachmittags, da ist es dann immer total voll und alle sind gestresst, ist ja auch nur wenig Zeit um sich auszutoben, bevor es früh ins Bett geht weil – am nächsten Tag geht es ja früh in die Schule.
Ich träume gerne. Also träume ich jetzt mal. Wäre es nicht wunderbar, wenn jedes Kind mit seinen Eltern die Welt erobern könnte, die eigene kleine Welt, die jeden Tag größer wird? Unterstützt von den einzigen Personen, die überhaupt in der Lage sind, die Aufmerksamkeit und Liebe zu schenken, die ein Kind braucht? Frei spielend, frei rumlaufend, ohne Ende lernend.
Absolut jedes Kind entwickelt sich in der Geschwindigkeit, die es braucht. Die Dinge, die es nicht mag oder kann, die kann es halt nicht. Dafür macht es die Dinge, die ihm liegen, viel viel besser als die meisten. Wäre das nicht der Hammer?
Jedes Kind stärkt sein Vertrauen in sich, tankt Urvertrauen. Wird stark. Und kann dann geben und teilen, ohne gezwungen zu werden. Was wären das für Erwachsene! Was wäre das für ein Miteinander!
Leute, vergesst die Schule! Schult un! Un-schult! Die Welt wird davon nicht untergehen, nein, sie wird besser werden! Lasst uns Kinder frei! lasst uns frei lernen, frei leben, frei lieben und teilen. Wir werden es euch zurückgeben, in dem wir gelungene Erwachsene werden, die gerne für Euch Sorgen, wenn Ihr uns braucht!